Der Deutschritterorden. Die Wiege Preußens

Geschichte Polens

In der Mitte des 13. Jahrhunderts ist Polen von inneren Spannungen erschüttert und wird an den Außengrenzen immer wieder von asiatischen Reiterkämpfern attackiert. Um die nördlichen Außengrenzen zu schützen, wendet sich Fürst Konrad von Masowien an den Deutschritterorden mit der Bitte nach Kreuzrittern. Der Fürst träumt davon, das in mehrere Fürstentümer zerfallene Polen zu einem starken Königreich mit Herrschaftssitz in der alten polnischen Königshauptstadt Krakow wieder zu vereinen.

Der Ritterorden verlangt im Gegenzug für den Schutz ein eigenes Territorium, auf dem ein eigenständiger Ritterstaat gegründet werden soll. Konrad von Masowien übereignet dem Deutschritterorden unter Hermann von Salza das Kulmer Land, einen Landstrich im Nordosten des heutigen Polens bei Torun (Thorn), zwischen Wisła (Weichsel) und Drwęca  (Drewenz), mit baltisch-slawischer Bevölkerung.

Um die zu erobernden Gebiete unter die Souveränität des Ritterordens zu bekommen, bittet Hermann von Salza den Papst Gregor IX. um die offizielle Bestätigung seiner Mission und erhält 1234 ein päpstliches Privileg (Goldene Bulle von Rieti).

Am Ufer der Weichsel werden zunächst mehrere Festungsanlagen als Ausgangsort für die Angriffe auf das benachbarte Gebiet und die dort lebenden preußischen Stämme errichtet. Von hier drängten Sie nach Norden bis ans Ufer der Ostsee und wendeten ihren Landhunger dann nach Osten entlang der Küstenlinie. Zwischen Balga und Königsberg werden am Frischen Haff mehrere Festungen zur Sicherung der eroberten Gebiete angelegt. Stück für Stück wird das gesamte preußische Siedlungsgebiet eingenommen.

Auf seinem Weg nach Osten geht der deutsche Ritterorden eine Allianz mit dem Kreuzritterorden der Schwertbrüder ein. Der Vormarsch geht weiter, bis die Kreuzritter im Jahre 1242 den Truppen des russischen Zaren Alexander Newski gegenüberstehen. In der entscheidenden Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee obsiegt Alexander Newski über die Kreuzritter und markiert damit die Grenze des Herrschaftsgebiets der Kreuzritter, die sich an die Außengrenze des sich langsam formenden Königreichs Polen zurückziehen müssen.

Als 1308 der polnische König die Kreuzritter erneut um Hilfe bittet, wittert der Orden eine erneute Chance auf Ausdehnung seines Herrschaftsgebiets. Die Ordensritter befreien die Stadt Danzig von den deutschen Söldnern des Herzogs von Brandenburg, belassen jedoch die Stadt entgegen der Vereinbarung mit König Władysław I. Ellenlang unter ihrer Herrschaft. Im Laufe eines einzigen Jahres erobern sie ganz Pommern. Zwar ist es nun mit der Einigkeit des Deutschen Ritterordens mit Polen vorbei, jedoch haben die Deutschritter ihre Stärke eindrucksvoll bewiesen.

Der Orden beginnt mit der Schaffung eines Staatswesens auf dem eroberten Gebiet, er regiert dabei eine Völkermelange aus Deutschen, slawischen Preußen und Polen mit einem religiösen Gemisch aus Christentum und heidnische Bräuchen. Zur Hauptstadt des Kreuzfahrerstaates wird Marienburg (Malbork), hier entsteht eine der größten Burganlagen des europäischen Mittelalters.

Der Deutschordensstaat

Auf dem Gebiet des Ritterordens entsteht eine neue Staatsstruktur. Ihr steht der Großmeister vor, der von einem 13köpfigen Ordenskapitel auf Lebenszeit gewählt wird und lenkt die Geschicke seines Staates über einen Generalrat, dessen Aufgaben und Funktionen mit denen heutiger Regierungen vergleichbar sind. Die weitere staatliche Struktur war ständisch angeordnet, die zentralen Machtpositionen wurden von Brüdern des Ordens besetzt. Gesetze und Entscheidungen jedoch werden unter Anhörung des Adels und der städtischen Bürger verabschiedet.

Das Staatsgebiet war in einzelne, sogenannte Kommenden (Komtureien), eingeteilt, deren Verwaltungszentrum jeweils eine Ordensburg war. Diese Ordensburgen besitzen mächtige Ausmaße und ähneln sich in Form und Funktion; damit will der Deutschorden seine Macht und seine Ambitionen eindrücklich demonstrieren. Bestehend aus vier Burgflügeln, die an den Ecken von Türmchen befestigt werden, umsteht die Burg einen mächtigen Burgfried im Zentrum, der die anderen Türme überragt. Um die Eroberung zu erschweren, überragen die Dächer der Flügel die Burgfassaden. Das gesamte Baukonzept dieser Ordensburgen ordnet sich dem Festungskonzept unter. Immer neue Burgen entstehen und bieten dem Deutschordensstaat Platz für seine Bewohner und Räumlichkeiten für die Verwaltung.

Zu den weiteren technischen Errungenschaften des Ritterordens gehörte ein effizientes Postwesen, welches in der Lage war, eine Nachricht von einem Ende des Ritterordens zum anderen innerhalb zweier Tage zu befördern.

Durch effiziente Strukturen und ein gesundes Finanzsystem  gelangt der Deutschordensstaat zu wirtschaftlichem Wohlstand, einem ausgeprägten Stadtbürgertum und politischer Stabilität. Dazu trägt der Handel entlang der Ostseeküste bei, der bis nach Flandern und in den Mittelmeerraum reicht. Als Mitglieder der Hanse stützen sich die Ordensstädte dabei auf deren auf starke Strukturen, Danzig wird zum wichtigsten Handelshafen der Ostsee.

Auch auf technischem Gebiet ist der Deutschordensstaat hochinnovativ, zu den technischen Neuerungen gehören in der Architektur beispielsweise die Trennung von Frisch- und Abwasser, Warmluftheizungen im Gebäudeinneren und die Anbringung des Aborts an den wetterabgewandten Außenmauern der Häuser, womit die Geruchsbelastung und die Keimverteilung minimiert werden sollte.

Personell richtet sich der Deutschorden ausschließlich an Adelige des Deutschen Reichs römischer Nation. Bewerber müssen ihre deutschen Wurzeln bis 4 Generationen zurück nachweisen, das Mönchsgelübde leisten und schwören, die Ungläubigen erbittert zu bekämpfen.

Der Deutschordensstaat wird zu einem beliebten Anlaufpunkt des europäischen Mittelalter- Rittertums, welches im Wesen dieses Staates seine eigenen Ideale wiederfindet. Der Großmeister nimmt diese Ritter freundlich auf, wenn sie sich seinen Interessen unterordnen und gegen die Ungläubige und Heiden an der Peripherie des Staates kämpfen; natürlich auch bei Eroberungszügen der Deutschritter. Auch reuige Glaubensverräter erhalten hier die Möglichkeit, für ihre Verfehlungen mit dem Kampf gegen Ungläubige zu büßen. Dabei gehören regelmäßige Raubzüge gegen die litauischen Nachbarn zum Alltag.

Konfrontation mit Polen

Das ändert sich mit der Vermählung der polnischen Königin Hedwig von Anjou (Jadwiga Andegaweńska) mit dem litauischen Großfürsten Jogaila im Jahre 1386, der damit zum polnischen König Władysław II. Jagiełło aufsteigt. Als Nebeneffekt der Befriedung des Dauerkonfliktes zwischen dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen wird in Litauen nun auch die Christianisierung vorangetrieben, womit den Deutschrittern ein wesentliches Argument für ihre Raubzüge beim Nachbarn verlorengeht.

Da die Deutschritter die neue Konstellation nicht akzeptieren können und weiter gegen Litauen kämpfen, nehmen die Spannungen zum Beginn des 15. Jahrhunderts weiter zu. Der Deutschordensstaat, mittlerweile geführt durch den Großmeister Ulrich von Jungingen, greifen polnische Burgen und Dörfer an. Jagiello seinerseits geht zum Gegenangriff über, erzielt jedoch bis auf die Rückeroberung der Stadt Bromberg (Bydgoszcz)  zunächst keine nennenswerten Erfolge.

Auch diplomatisch ist das Königreich Polen isoliert – der Papst in Rom, die Könige in Böhmen und Ungarn, der Kaiser des Römischen Reiches deutscher Nation und auch die pommeranischen Fürsten standen allesamt auf Seiten des Deutschritterordens. Damit gelingt es den Polen und Litauern nicht, einen Krieg zu verhindern. Nichtsdestotrotz unternehmen beide Seiten hektische Versuche, in Europa Verbündete gegen den jeweils Anderen zu finden. Dazu wird die Waffenentwicklung und Produktion forciert, wobei Polen in dieser Sparte einen hohen Stand erreicht hat.

Im Juni 1410 bricht der Krieg aus. Die Polen fallen an mehreren Stellen in Preußen ein und erobern Dorf um Dorf, völlig überraschend für die Kämpfer des Deutschordens. Der Großmeister ist zunächst irritiert, er versteht das Ziel der angreifenden Polen nicht. Als die Polen jedoch in großer Zahl die Weichsel überschreiten, ist klar, dass der Angriff Marienburg gilt, dem Herzen des Deutschordensstaates. Ulrich von Jungingen stellt der polnischen Truppe sein Heer entgegen.

Die Schlacht von Tannenberg

Nachdem Jagiellos Truppen auf dem Weg nach Marienburg die Drewenz versperrt vorfinden, schlagen sie einen Haken und nehmen das Städtchen Gilgenburg (Dabrowno) ein, um von hier aus auf Marienburg vorzustoßen. Ihnen entgegen eilen die Deutschritter durch die Nacht, um den Vormarsch der Polen aufzuhalten und treffen im Morgengrauen des 15. Juli 1410 auf Jagiellos Truppen. Es kommt zur gewaltigsten Schlacht des bisherigen Mittelalters, die als "Schlacht von Tannenberg" in die Geschichte eingehen wird. 30.000 Polen und Litauer, 20.000 Polen auf der anderen Seite, fallen übereinander her.

Am Ende der Schlacht werden die Polen das Deutschordensheer vernichtend geschlagen haben, der Großmeister und bedeutende Ordensträger sterben in der Schlacht. Die überlebenden Ordensritter kehren in völliger Auflösung in die Marienburg zurück, die nun ohne das Ritterheer den Polen schutzlos ausgeliefert ist. Dort übernimmt Heinrich von Plauen, ein überlebender Befehlshaber der Ordenstruppen, das Kommando und organisiert die Verteidigung der Hauptstadt.

Als die polnischen Truppen drei Tage später vor Marienburg erscheinen, beginnt für 4.000 Ordensritter ein Überlebenskampf gegen ein übermächtiges Heer. Die Verluste der Polen sind schwer, höher als die Verluste bei Tannenberg, und nach zwei Monaten müssen die Polen die Belagerung Marienburgs abbrechen.

Der Krieg endet 1411 mit dem Vertrag von Thorn (Torun). Die Deutschritter verpflichten sich zur Zahlung einer Summe und der Abgabe einiger Gebiete. Das ist weit weniger, als die Polen gefordert hatten.

Das Ende des Deutschordensstaates

Dennoch sinkt das Ansehen des Deutschordensstaates kontinuierlich weiter, auch bei den eigenen Verbündeten. In den 1450er Jahren verbünden sich Städte und Adelige im Deutschordensstaat zum "Preußischen Bund" und erklären dem Ritterorden einen Krieg, der 13 Jahre dauern wird. Dabei kann das polnische Königreich, das mit dem Preußischen Bund kooperiert, erhebliche Gebiete des Ordensstaates in seine Gewalt bringen.

Die verbleibenden Ordensburgen sollen von ausländischen Söldnern verteidigt werden, doch aufgrund der schwindenden Ressourcen im Staat wird deren Bezahlung immer schwieriger. Schließlich muss der Großmeister seine Burg, die Marienburg, verkaufen. Ironie der Geschichte: er zieht sich von einer Burg zurück, die nie erobert oder besiegt wurde. Der neue Amtssitz des Ordens wird Königsberg (Kaliningrad).

Der Niedergang des Deutschritterordens und die Existenz des Ordensstaates finden im 16. Jahrhundert ein Ende, als der Großmeister Herzog Albrecht von Hohenzollern die lutherische Lehre annimmt, den Glauben säkularisiert, die Oberhoheit Polens anerkennt und damit zum polnischen Vasallen wird.

Was vom Orden der Deutschritter übrig bleibt, ist das Engagement für Nächstenliebe und Ritterlichkeit. Die Ordensmitglieder verschreiben sich wieder mehr dem Dienst am Menschen, der christlichen Unterstützung Unterdrückter, Entrechteter.

Das Gebiet des einstigen Ordensstaates wird zur Wiege des preußischen Staates, der in der späteren europäischen Geschichte eine bedeutende Rolle spielen wird.

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