Kasan. Die Hauptstadt Tatarstans

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Als die Mongolen mit der Goldenen Horde nach Europa einfallen, sind unter ihnen auch die Volksgruppen, die wir heute als Tataren bezeichnen. Gemeinsam unterjochen und versklaven die Reiterkämpfer einen großen Teil der europäischen Völker, verbrennen deren Städte und rauben deren Reichtümer. Dann ziehen sie sich nach und nach aus den wilden Wäldern Westeuropas zurück und kehren in die asiatischen Hochebenen zurück.

Die Tataren verlassen das zurückziehende große Heer am größten europäischen Fluss, der Wolga, lassen sich dort an der Stelle einer wolgabulgarischen Siedlung nieder und gründen die Hauptstadt Kasan für ihr neues Khanat, das bis heute eine autonome Staatlichkeit besitzt. Die Tataren errichten am Flüsschen Kasanka eine Festung, die jahrhundertelang den Schutz Kasans garantiert. Von hier aus unternehmen sie immer wieder Angriffe und Raubzüge auf die nahegelegenen Fürstentümer Susdal, Nischnij Nowgorod und Moskau.

Erst im 16.Jahrhundert gelingt es Zar Iwan IV. (der Schreckliche), Kasan einzunehmen und das Khanat dem moskowitischen Staatsgebiet einzuverleiben. Um dies zu zementieren, errichtet er auf den Resten der tatarischen Festung den Kasaner Kreml, eine der schönsten Sehenswürdigkeiten Kasans, erst aus Holz, später aus weißem Kalkstein mit meterdicken Mauern. Daneben betreibt Zar Iwan eine großangelegte Christianisierungskampagne unter den verbliebenen muslimischen Tataren, die im heutigen Nebeneinander von Islam und Christentum mündet.

Im Kasaner Kreml entstehen der Sujumbiketurm im markanten roten Ziegel, benannt nach der letzten tatarischen Regentin des Khanats und einer der schiefsten Türme weltweit, nicht weit davon die Kul Scharif Moschee, heute die größte Moschee Russlands, und die orthodoxe Mariä Verkündigungskathedrale. Beide Gebetshäuser stehen bis heute für das friedliche Nebeneinander der Religionen in Tatarstan. Mehrere Museen auf dem Gelände des Kremls geben Einblick in die Geschichte und Kunst der Kasaner Tataren, darunter Werke von Baqi Urmançe, zeigen aber auch europäische Kunstwerke, etwa von Albrecht Dürer, Martin Schongauer, Lucas van Leyden oder russische wie Schischkin. Der Kreml von Kasan und die Baudenkmäler in seinem Inneren sind Teil des Unesco Weltkulturerbes.

Vom Kasaner Kreml aus zieht sich die Baumanstraße (Spitzname "Kasaner Arbat") als Fußgängerzone quer durch das Stadtzentrum und lädt zu einem entspannten Spaziergang ein, vorbei an Cafés, Restaurants und Geschäften, kleinen Parks mit Brunnen. Am Ende der Baumanstraße befindet sich in einer Nebenstraße die Kasaner Universität, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Zar Alexander I. gegründet wurde und heute als zweitälteste Russlands gilt. Zu ihren bekanntesten Studenten gehörten der russische Schriftsteller Leo Tolstoi und der aus dem nahen Simbirsk stammende Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin).

Die Universität liefert den menschlichen Treibstoff, den die zahlreichen, hier angesiedelten Unternehmen benötigen. In Kasan wird Flugzeug- und Helikopterbau betrieben, daneben ist die Stadt ein Zentrum der pharmazeutischen Industrie und der Medizingeräteherstellung. Die Stadt ist mit dem Rest des Landes durch zahlreiche Magistralen verbunden, der Flusshafen ist ein Drehkreuz der Wolgaschifffahrt, über den Kasaner Flughafen ist die Stadt von Deutschland aus direkt erreichbar. Neueste Errungenschaft ist die Metrolinie durch das Stadtzentrum.

Wem nach dem Spaziergang durch die Kasaner Innenstadt die Beine schmerzen, der kann sich in den zahlreichen Parkanlagen, im nahen Leningarten oder dem Eremitage-Park auf einer Bank erholen. Kasan ist verglichen mit Städten wie Moskau, Sankt Petersburg, ja selbst Nischnij Nowgorod, ein kleineres, beschauliches Städtchen mit Hang zur Entspannung.

Das Nebeneinanderleben von Russen und Tataren spiegelt sich überall im Stadtbild wieder. Straßenschilder und Ortsbezeichnungen werden zweisprachig - russisch und tatarisch - angezeigt. Auf den Straßen fällt in der Menschenmenge die bunte Vielfalt europäischer und asiatischer Gesichtszüge auf. Während sich in der Oberstadt die Mehrheit der russischen Bevölkerung angesiedelt hat, ist die Unterstadt deutlich muslimisch-tatarisch geprägt.

Sehenswert ist in der Oberstadt auf jeden Fall die Peter-Paul-Kirche im Moskauer Barock aus dem Jahre 1722. Sie wurde zu Ehren von Peter I. bei seinem Besuch eröffnet und beherbergt einen 25m langen Ikonostas, der in Größe und Feinheit seiner Holzschnitzerei in ganz Russland einzigartig ist.

Wem das abwechslungsreiche und interessante Stadtzentrum von Kasan Appetit gemacht hat, weitere Sehenswürdigkeiten in der unmittelbaren Umgebung zu bereisen, kommt an einer Schifffahrt auf der mächtigen Wolga nicht vorbei. Lohnenswert sind Ausflüge in das orthodoxe Männerkloster Raiffa in malerischer Natur oder der Besuch der Festung Swijaschsk.

Einst wurde Swijaschsk von Zar Iwan IV. auf einem Hügel errichtet und war der Ausgangspunkt zahlreicher Waffengänge und Christianisierungsbestrebungen der Russen gegen die Tataren. Noch heute kann der interessierte Reisende die mächtigen Festungsmauern bewundern und einen Einblick in den tiefen orthodoxen Glauben nehmen, der sich in Glanz und Pracht zahlreicher Kirchen und Kathedralen widerspiegelt. Nachdem die benachbarte Wolga in den 60er Jahren zu einem Stausee aufgestaut wurde, befindet sich die mittelalterliche Festungsstadt Swijaschsk nunmehr auf einer Insel, was ihrem Anblick vom Schiff aus noch mehr Schönheit verleiht.

Ein anderes interessantes Ausflugsziel von Kasan ist die kleine Stadt Bolgar am Zusammenfluss von Wolga und Kama. Auf der Fahrt entdecken Sie die typisch "russische Weite" - endlose Felder und Birkenhaine, die mit kleinen Dörfern mit typischen Holzhäusern durchsetzt sind, und überqueren die Kama auf einer kilometerlangen Brücke mit einzigartigen Aussichten. Im historischen Museum und beim Besuch der beiden Mausoleen von Bolgar machen Sie sich mit der Geschichte der Wolgabulgaren bekannt, die zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert Bolgar zu ihrer Hauptstadt gemacht hatten.

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