Berdytschiw und Werchiwnja

Städte & Regionen der Ukraine

Die Stadt Berdytschiw im Süden Wolhyniens war einst in vielen ihrer Charakterzüge einzigartig. Hier standen über 80 Synagogen und jiddisch war bis in die 30er Jahren der 20. Jahrhunderts offizielle Amts- und Gerichtssprache.

Zu dieser Zeit, in der Blüte des Judentums in der Ukraine gab es hier in der jüdischen Gemeinde eine Synagoge, Jeschiwa (Talmud Hochschule), Kollel (Talmud Oberschule), eine jüdische Grundschule und einen jüdischen Kindergarten, sowie jüdische Kultureinrichtungen.

Berdytschiw gehört zu den wenigen ukrainischen Städten, in denen man noch heute ein lebendiges jüdisches Leben finden kann. Die Stadt verdankt ihre Existenz und ihrer Blüte bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts drei Völkerschaften – den Polen, den Ukrainern und vor allem den Juden.

Berditschews. Interessante Grabsteine in Form eines Stiefels kann man hier besichtigen oder das Grab von Rabbi Levi Jizchak Ben Meir von Berdytschiw besuchen. Er war der Schüler von Dow Bär und ist als Führer der Chassiden in Russischem Reich bekannt geworden. Mit seinen Schülern besuchte er kleine Dörfer und Städtchen und brachte den Menschen Lebensfreude und tiefen Glauben. Er gilt als Gründer des polnischen Zweiges des Chassidismus.

Rabbi Levi Jizchak hat keine Dynastie gegründet (etwa wie die Wischnitzer), seine Schüler jedoch sind weltweit bekannt geworden. Einer von ihnen war Jakov Jizchak Levi Horowitz – ein bekannter Prophet aus Lublin. Heute ist das Grab des Rabbi Levi Jizchak ein Pilgerort vieler Chassiden aus der ganzen Welt.

In Berditschew lebten bis kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs fast 25.000 Juden. Innerhalb der ersten vier Kriegsmonate starben 18.000 von ihnen in der Mordmaschine der deutschen Besatzer. Am Ende des Krieges lebten noch 15 der Berditschewer Juden.

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Judentum in der heutigen Westukraine - Rundreise

Auf unserer Judentum Rundreise Ukraine führen wir Sie in die bunte Welt der Chassiden und Ashkenazy, erzählen Legenden über den Baal Schem Tow und den Rabbi Nachman und zeigen Ihnen die Welt von Bruno Schulz und Joseph Roth, die ihrer Heimat und den Juden in ihren Büchern ein unvergängliches Denkmal setzten.

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Die Liebestragödie des Honoré de Balzac

Eng ist der Name des Städtchens Berdytschiw im Oblast Schytomyr mit einem der größten Namen der französischen Literatur verbunden: Honoré de Balzac. In der Nähe des Städtchens hat er gelebt und die schöne Gräfin Ewelina Hanska geheiratet.

Die Geschichte vom Schriftsteller und der Gräfin hat alle Zutaten einer dramatischen Tragödie - mit großen Gefühlen, einer unmöglichen Heirat und einem tragischen Ende. Balzac selbst spielt dabei die Hauptrolle: ein literarisches Genie, ein produktiver Schriftsteller und ein von Frauen (die er so gut versteht) verehrter Lebemann von Welt. Doch die Geschäfte laufen nicht gut für ihn, Balzac ist ständig vom Pech verfolgt und steckt dementsprechend bis zum Hals in Schulden.

Die andere Protagonistin der Geschichte ist Ewelina Hanska. Sie ist jung, schön und sehr reich. Sie stammt aus einer alten Familie des polnischen Hochadels und ist mit einem Mann verheiratet, der 20 Jahre älter als sie ist. Sie führt ein ruhiges Leben auf ihrem Landgut Werchiwnja in der Ukraine.

Um der Langeweile zu entfliehen, liest die hochgebildete junge Gräfin Romane, vor allem die ihres Lieblingsschriftstellers, Honoré de Balzac, der die zeitgenössischen Sitten und Gebräuche so wunderbar beschreibt. Das Leben, das er in seinen Büchern darstellt, das bunte und authentische Paris, fasziniert sie.

Eines Tages schreibt sie dem Schriftsteller einen Brief und unterschreibt mit den mysteriösen Worten: "die Fremde". Der Brief weckt die Neugier des Schriftstellers. Er antwortet. Damit beginnt einen Briefwechsel, der am Ende siebzehn Jahre dauern wird.

Siebzehn Jahre lang hat Balzac auf ihre schöne Gräfin gewartet. Balzac und Hanska, die sich mittlerweile Hals über Kopf ineinander verliebt haben, treffen sich zum ersten Mal ein Jahr später, im Jahre 1834, in Neuchâtel, in der Schweiz. Sie entwerfen schon Zukunftspläne, aber es gibt ein Hindernis: Ewelina ist verheiratet. Man muss also warten. Der Schriftsteller führt sein chaotisches Leben weiter, zwischen großen und bald gescheiterten Geschäftsprojekten, Affären und dem Wichtigsten, dem Schreiben.

Trotz seiner Liaisons mit unterschiedlichen Beschützerinnen steht sein Herz treu zu Frau Hanska. Er verrät ihr zwei Projekte, die ihm am Herz liegen: eine große Freske seiner Epoche zu schreiben, bei welcher jedes Buch ein Stückchen davon wäre, und vom Roman ein wahrhaftes modernes literarisches Genre zu machen. Der Briefwechsel hat Balzac stark beeinflusst und inspiriert. In den Phasen der Hoffnung und Liebe hat er frenetisch geschrieben, bis zu vier Romane am Stück. Während eines Streits mit Frau Hanska hört er vollkommen auf zu schreiben, ist blockiert.

Bald ist Balzac besessen von der Idee, Ewelina Hanska wiederzusehen. Im Jahre 1842 der Theatercoup: der Graf Hanski stirbt. Balzac, der auf diese Nachricht seit acht Jahren wartete, erhofft sich nur Eines: die Gräfin sobald wie möglich zu sehen und sie zu heiraten. Leider scheint die Gräfin von der Idee weniger begeistert zu sein als ihr Geliebter. Schwierigkeiten bei der Erbfolge zögern das Wiedersehen hinaus, das erst ein Jahr nach dem Tod des Grafs Hanski in Sankt-Petersburg stattfindet.

Gemeinsam verbringen Balzac und Frau Hanska ein paar Monate auf Reisen durch verschiedene Städten Europas. Erschöpft von der Reise kehrt Balzac zurück nach Paris und arbeitet weiter an seinem größten Meisterwerk "Die menschliche Komödie". Er arbeitet wie ein Pferd und hat eine neue Hoffnung: Frau Hanska ist von ihm schwanger. Die Heiratspläne sind konkret wie nie zuvor. Balzac kauft mit dem Geld der Hanska ein Haus in Frankreich und bereitet es für die Ankunft seiner zukünftigen Gemahlin vor. Die Gräfin will jedoch alle Probleme mit der Erbschaft ihres verstorbenen Mannes lösen, bevor sie sich in Frankreich für immer niederlässt. Und da passiert erneut was Schlimmes: Am Tag, bevor er Frau Hanska am Bahnhof abholen soll, erfährt Balzac, dass sie eine Fehlgeburt hatte und das Kind verlor.

Voll des Schmerzes über den Verlust entschließt sich Ewelina Hanska, in die Ukraine zurück zu fahren und bittet Balzac, sich erst ein Jahr später, im Februar 1847, wiederzusehen.

Zum Ende des Winters kommt Frau Hanska wie versprochen nach Paris und verbringt zwei Monate mit Balzac. Die Anwesenheit von Frau Hanska belebt den Schriftsteller wieder. Zu dieser Zeit schreibt er und veröffentlicht gleichzeitig drei Romane: "Cousin Pons", "Der Abgeordnete von Arcis" und "Die letzte Inkarnation von Vautrin".

Das Glück hält leider nicht lange: die Gräfin fährt zurück in die Ukraine und verschiebt das Wiedersehen bis zum Herbst. Trotz seinem Erfolg als Schriftsteller läuft das Geschäft bei Balzac ziemlich schlecht. Er hat mit dem Vermögen der Gräfin Aktien einer Eisenbahngesellschaft gekauft, um damit zu spekulieren. Leider stürzt der Aktienkurs katastrophal und Balzac verliert viel Geld.

Im Herbst 1847 geht es Balzac sehr schlecht. Die Sorgen um seine Schulden rauben ihm den Schlaf und er beschließt, zu Frau Hanska zu gehen, ohne auf ihre Erlaubnis zu warten. Er leiht sich Geld bei einem Bekannten und besteigt den Zug, der ihn in die Ukraine bringt. Bevor er geht, verbrennt er alle Liebesbriefe, die ihm Frau Hanska geschrieben hat. Er hat Angst, damit erpresst zu werden. Die Reise ist anstrengend und dauert sehr lange. Balzac reist mit dem Zug, und dann mit einer Kutsche weiter.

Fast zwei Wochen nach seiner Abfahrt aus Paris erreicht er Berdytschiw. Er war viel schneller als der Brief, mit dem er seine Ankunft ankündigt. Das Landgut von Ewelina Hanska, Werchiwnja, beschreibt er als "eine Art Louvre, von der untergehenden Sonne golden gefärbter griechischer Tempel, der auf dem Hügel thront". Der Weg, der dorthin führt, windet sich durch die Steppen, die Balzac als "wahre Steppen" beschreibt, und mit der Prairie von Fenimore Cooper vergleicht.

Balzac ist von Werchiwnja bezaubert. Er hat vor, bis Mitte April bei Frau Hanska zu bleiben. Er besichtigt Kiew und arbeitet an einigen seiner Romanen weiter. Dringende Geschäfte zwingen Balzac, früher als erwartet zurück nach Paris zu fahren. Frau Hanska kann ihn nicht begleiten, laut dem russischen Gesetz muss sie auf all ihre Güter verzichten, wenn sie einen Ausländer heiratet. An den Zaren richtet sie ein Gesuch, um das zu vermeiden, und wartet auf die Antwort.

Balzac ist krank und ohne Hoffnung. Es gelingt ihm nicht mehr, zu arbeiten. Er bekommt aber einen neuen Brief von Frau Hanska, die ihn bittet, zu ihr in die Ukraine zurück zu kehren und dort mit ihr zu leben. Balzac ist außer sich vor Freude und fährt sofort los, ohne nach der Meinung seines Arztes zu fragen. Dieser hätte ihm von der Reise abgeraten.

Er kommt in Werchiwnja Ende 1848 an. Im Jahre 1849 wird Frau Hanskas Gesuch an den Zaren abgelehnt. Im März 1850 trifft Ewelina Hanska endlich die Entscheidung, ihre Güter ihrer Tochter zu schenken und Balzac zu heiraten. Nur wenige treue Freunde sind zur Hochzeit in Berdytschiw eingeladen. Das Brautpaar fährt sofort nach der Zeremonie nach Paris, wo sie vorhaben, zu leben. Die Lage ist aber prekär: die neue Frau Balzac hat auf all ihre Güter verzichtet, der Schriftsteller ist krank und hat viele Schulden. Er verstirbt fünf Monate nach seiner Rückkehr. Frau Hanska bleibt in Paris und wird noch 31 Jahre leben. Beide sind auf dem Père-Lachaise Friedhof in Paris begraben.

Diese außerordentliche Liebesgeschichte, in der Balzac selbst die romantischste der Romanfiguren spielte, ist unvergesslich mit der Ukraine verbunden und fasziniert bis heute. Die drei Zimmer im ersten Stock des kleinen Palais in Werchiwnja, wo Balzac während seiner unterschiedlichen Aufenthalte gelebt hat, sind heute in ein kleines Museum verwandelt worden. Dort kann man den Schreibtisch des Schriftstellers, Porträts und verschiedene Dokumente mit Bezug auf Balzacs und Frau Hanskas Leben sehen. Der Museumsbesuch kann mit der Besichtigung des Hauses in Berdytschiw kombiniert werden, in dem Frau Hanska und Balzac geheiratet haben.

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