Deutsche Soldaten in der Ukraine. Stumme Zeugen der Schlachtfelder beider Weltkriege

Geschichte der Ukraine

Auch die traurigsten Kapitel der ukrainischen Geschichte sind fest mit der deutschen verbunden. Deutsche Soldaten marschierten durch das Land, fielen und wurden hier begraben. Ihre Gräber gehören heute - Ironie der Geschichte - zu den bestgepflegten und -dokumentierten Zeugnissen deutscher Geschichte in der Ukraine.

Kiew, Sewastopol, Charkiw und Tscherkassy – Ortsnamen, die für gut 3 Generationen deutscher Familien untrennbarer Bestandteil des direkten Erlebens und der Erinnerung wurden. Hier waren die Schauplätze einiger der größten Schlachten des 2. Weltkrieges mit einem weder zuvor noch danach gekannten Aufgebot an Menschen und Material. Dementsprechend gewaltig fielen auch die Opferzahlen aus. "Vermisst seit den Kämpfen auf der Kertscher Landenge, gefallen bei der Rückeroberung Charkows im März 43, mit seiner Einheit bei Korsun-Schewtschenkiwskyj in Gefangenschaft geraten" – das sind oft die letzten Nachrichten über die Schicksale von Vätern und Ehemännern, Söhnen und Brüdern.

Schon die erste Schlacht um Kiew im Sommer 1941 forderte die ungewöhnlich hohe Zahl von 100 000 Toten, Vermissten und Verwundeten auf Seiten der Wehrmacht. Die Monate des schnellen Vormarsches brachten den siegessicher in die Kameras der Wochenschau winkenden Landsern auch eine mehr als beunruhigende Erkenntnis: Der Krieg im Osten war anders als alles, was sie zuvor erlebt hatten.

Allein 9 Monate zogen sich die Kämpfe auf der Krim hin, banden eine ganze Armee unter Generalfeldmarschall von Manstein, hinterließen Spuren in der Landschaft, die noch heute sichtbar sind. Als nach Stalingrad und Kursk die Rote Armee unter gewaltigen eigenen Verlusten nach Westen vorrückte, den Dnepr überschritt, Kiew befreite und sich unaufhaltsam den Karpaten näherte, blieben als Alternativen für die deutschen Soldaten und deren Verbündete nur noch Flucht, Tod oder Gefangenschaft. Allein 8 Divisionen gerieten im Juli 1944 in den Kessel von Brody – ein Inferno, dem nur jeder Zehnte entkam.  2 742 909 Gefallene verzeichnet die Statistik für die Ostfront – dreimal mehr als im Westen und Afrika. Über 3 Millionen gerieten in Gefangenschaft, die mehr als ein Drittel von ihnen nicht überlebten.

Die Topographie der Gräber spiegelt die Topographie der Schlachten. Seit dem die letzten Ruhestätten gefallener deutscher Soldaten in der Ukraine kein Tabuthema mehr sind, werden Jahr für Jahr neue Bestattungsplätze entdeckt, können teilweise sogar jahrzehntelang als vermisst Geltende nun anhand der Erkennungsmarken oder persönlicher Gegenstände identifiziert werden. Ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der Ukraine regelt seit 1996 den Umgang mit dieser Hinterlassenschaft. Für Deutschland übernimmt besonders der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. aber auch einige private Initiativen, meist von Nachkommen Gefallener, Vermisster oder in Gefangenschaft Verstorbener diese Aufgabe.

Neben einer Anzahl kleinerer Friedhöfe, auch in der Nähe von ehemaligen Gefangenenlagern für die dort Verstorbenen, gibt es vor allem 3 große, noch im Ausbau befindliche Kriegsgräberstätten, vorgesehen für jeweils ca. 40 000 Gräber:

Der Soldatenfriedhof Gontscharnoje auf der Krim bei Sewastopol war 2009 bereits letzte Ruhestätte von 20 824 Gefallenen. Die Gräber von fast 40 000 Toten umfasst ein 5 ha großer Teilbereich eines sonst zivilen Friedhofs bei Charkow. Südlich Kiews entsteht, 1996 vom damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl eingeweiht, die dritte große Kriegsgräberstätte. Dort ruhten 2009 schon 21 530 Gefallene.

Am 22. Juni jährt sich zum 70. Mal der Beginn des Krieges mit der Sowjetunion. Wir Deutschen, die heute die Gräber unserer Familienangehörigen in der Ukraine aufsuchen, gehören meist schon zur Generation der Enkel oder gar Urenkel. Wir haben die Toten nicht mehr persönlich kennen gelernt, wissen um sie nur aus Erzählungen, kennen ihre Gesichter nur von oft schon verblichenen Fotographien.

An den Orten ihrer letzten Ruhe begegnen wir nun den Nachkommen des früheren "Feindes". Auch für die heutigen Generationen in der Ukraine sind die vergangenen Ereignisse längst in weite Ferne gerückt. Doch sollten wir nicht vergessen, dass hier der Krieg tiefere Wunden geschlagen hat. Allein über 10 008 434 Angehörige der Roten Armee fielen oder gelten als vermisst, 18 190 693 wurden verwundet oder erkrankten, viele von ihnen für immer verkrüppelt, körperlich als auch seelisch, 2,5-3,3 Millionen Kriegsgefangene kamen in deutscher Gefangenschaft ums Leben.

Zahlen, die man vielleicht erst an den Gräbern zu begreifen beginnt.
 

Liste der bekannten deutschen Kriegsgräberstätten sowie von Friedhöfe mit Gräbern Kriegsgefangener in der Ukraine (nicht unbedingt vollständig):


Westukraine:
1.    Lemberg Samarstynew (Kriegsgefangene)
2.    Potelitsch bei Rawa Ruska
3.    Bronnyky bei Rivne
 
Zentralukraine:
1.    Kiew (Sammelfriedhof)
2.    Kiew Syrez (Kriegsgefangene)
3.    Schitomir
4.    Berditschew (Kriegsgefangene)
5.    Kirowograd
 
Ostukraine
1.    Charkiw (Sammelfriedhof)
2.    Donetsk (Sammelfriedhof, Kriegsgefangene)
3.    Gorlowka bei Donezk (Kriegsgefangene)
 
Südukraine:
1.    Cherson (Kriegsgefangene)
2.    Genitschesk
3.    Gontscharnoje, Sewastopol (Sammelfriedhof)
4.    Odessa (Kriegsgefangene)

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